Gregor Betz |
BÜHNENWECHSEL – SECHS MONATE LEBEN IN TANSANIA |
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EINLEITUNGMotive meiner Reise:Nicht immer hat man das Glück im Leben, sich Träume erfüllen zu können. Schon in meiner frühen Jugend habe ich in Meschede mit Exil-Afrikanern Kontakt gehabt und war schon damals von ihrer Offenheit, Herzlichkeit, ihrer Musik, ihrem Essen und den Geschichten aus ihren Dörfern und Familien fasziniert. Diesem Wunsch, den schwarzen Kontinent zu erleben, bin ich vor einem Jahr gefolgt, habe mich nach Möglichkeiten für einen Afrika-Aufenthalt erkundigt, habe mich beim ESSB (www.essb.de) angemeldet und bin schließlich am 1. September 2003 für ein halbjähriges Praktikum in Masasi im Süden Tanzanias ins Flugzeug gestiegen. Tanzania ist ein wunderschönes Land, dessen Touristenattraktionen jährlich auch tausende Deutsche anlocken. Nur einige dieser Sehenswürdigkeiten sind der schneebedeckte Gipfel Afrikas auf dem Kilimanjaro, die weißen Strände Zansibars, die ca. 30% Landesfläche an Naturreservaten mit der Serengetis, dem Selous, dem Ngorongoro-Krater und unzähligen kleinen und mittelgroßen Reservaten. Dafür war ich nicht in Tanzania. Ich wollte nicht Touristenspuren folgen sondern den Spuren der Tanzanier, und die findet man meist nicht in der Serengetis, auf dem Kilimanjaro oder an den Stränden Zansibars sondern in den vielen Städten und Dörfern im Rest des Landes. Ich wollte leben wie die Menschen leben und erfahren wie sie die Welt erleben, was für Probleme sie haben und was für Visionen sie für ihre Zukunft miteinander teilen. Ich erhoffte mir nicht nur das Land kennen zu lernen sondern auch meinen Blick für Deutschland und für unsere Welt erweitern zu können. Mich bewegten Fragen wie: Was ist Armut? Wie erleben Menschen ihre Armut und wie sehen sie uns Menschen aus den Industrieländern? Wie sehen sie unsere Welt im Ganzen? Was sind ihre Lösungsansätze für Armut, HIV/Aids, Umweltprobleme, Überbevölkerung, etc? Ist unsere europäische Weltsicht zutreffend? Wie können wir von ihren Problemen, Erfahrungen und Ansichten lernen? So habe ich ein halbes Jahr in Masasi im Süden des Landes mit der Familie von Mama Malenga gelebt und für MANGONET, einem Netzwerk von lokalen Entwicklungsorganisationen, gearbeitet. Jetzt bin ich zurück, unschätzbare Erfahrungen reicher, mit einem sicherlich stark veränderten Welt- und Selbstbild. Die sechs Monate waren nicht immer einfach, was bei uns so völlig fremden Bedingungen, Lebensweisen und einer fremden Kultur auch nicht verwunderlich sein kann. Meine Erwartungen wurden voll erfüllt und so spielen für mich die schönen Momente meines Aufenthaltes eine viel größere Rolle als die schwierigen. Ich bin froh, diese einmalige Erfahrung gemacht zu haben und wünsche jedem anderen Menschen vergleichbare! Mein Umfeld in Tanzania:Meine Stadt: Der Haupt-Grund für die Unterentwicklung des Südens Tanzanias liegt vor allem darin, dass die Region während des Mosambikischen Unabhängigkeits- und Bürgerkriegs Sperrgebiet war. Vor allem seit der Präsidentschaft Benjamin Mkapas aus Masasi sind die Probleme des Südens mehr in das Blickfeld der Politik gekommen. So soll unter Anderem die wichtige West-Ost-Straße durch Masasi ausgebaut und die erste direkte Straßenverbindung nach Mosambik mit einer Brücke über den Grenzfluss im Kreis Masasi gebaut werden. Landschaftlich ist Masasi recht flach mit wunderschönen massiven Felsblöcken, die im ganzen Kreis bis zu 1.000 Meter in die Höhe ragen. Im Westen liegt das durch seine Schnitzereien weltberühmte Makonde-Plateau. Mein Leben: Mama Malenga, der Kopf der Familie, war die ehrenamtliche Sekretärin von MANGONET. Ich habe zwar nicht in ihrem Haus gewohnt, habe aber jeden Tag zwei Mal dort gegessen und die meisten Abende und Wochenenden mit ihrer Familie verbracht. Meine Gastfamilie war eine für Tanzania sehr untypische Familie. Mama Malenga war unverheiratete Lehrerin und Mutter von Faradja (16) und Imani (11). Ihre Tochter hat sie mit Mitte Dreißig bekommen. Sowohl das Unverheiratet sein als auch die sehr späte Geburt ihrer zwei Kinder waren außergewöhnlich für tanzanische Verhältnisse. Zusätzlich zu ihren ca. 50€ Lehrereinkommen lebte die Familie von ihren 5 Hektar Land, auf denen sie Mais und Gemüse für den eigenen Bedarf anbauten. Ein Hirte war für die 10 Kühe zuständig und hinterm Haus pickten immer um die fünf Hühner nach Reiskörnern und Insekten. Meine Familie gehörte eindeutig zu den Wohlhabenden der Stadt. Ich hatte eine eigene Köchin und Haushaltshilfe, Anna Wabaya Hokororo. Sie war 25 und der einzige regelmäßige und intensive Kontakt mit gleichaltrigen Tanzaniern. Sie hat in der Regel im Haus von Mama Malenga gekocht und in dessen Abwesenheit auch dort gewohnt um auf das Haus aufzupassen. In den ersten drei Monaten habe ich in einem kleinen Haus etwa einen Kilometer von der Familie entfernt mit Kajuti – einem jungen Elektriker – gewohnt. Als MANGONET einen Entwicklungshelfer aus den Philippinen bekam sind wir beiden zusammen in ein Haus der katholischen Gemeinde ganz in der Nähe vom Büro und dem Haus der Familie gezogen. Cris – der Philippine – und ich waren die einzigen haupttätigen bei MANGONET. So wurde unser Haus mehr und mehr zum „Gehirn“ und zur „Aktions-Zentrale“ von MANGONET. Zwar waren wir unter der Woche meistens von 8 bis 15 Uhr im Büro, doch zu den anderen Zeiten kamen die ganze Zeit Leute mit Fragen und Bitten bei uns vorbei. Die wichtigsten Diskussionen von MANGONET fanden in unserem Wohnzimmer statt. Meine Arbeit: Seit 2002 hat MANGONET ein eigenes zentral gelegenes Gebäude neben den Büros der Kreisverwaltung mit Computer, Fotokopierer, Versammlungsraum und einem „Resource Center“ mit Fernseher und Informationsmaterial zu unterschiedlichen Themenfeldern. Der dreiköpfige Vorstand ist ehrenamtlich und trifft sich in der Regel zwei bis vier Mal im Monat. Das Entscheidungsorgan ist das Exekutive Komitee, das sich ein Mal im Monat trifft und von der Vollversammlung kontrolliert wird, die den Vorstand wählt, Jahrespläne beschließt und die Satzung verändert. |